Zum Internationalen Tag der Migranten erklärt Tom Koenigs, Mitglied des Deutschen Bundestages:
Der Nachrichtenwert realistischer Zahlen sollte mindestens so hoch sein, wie der populistischer Äußerungen. Während die Große Koalition nach wie vor von „Einwanderung in die Sozialsysteme“ spricht, zeigen Statistiken des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und das Jahresgutachten zur EU Binnenmigration, dass Deutschland von der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien profitiert, kulturell, aber auch ökonomisch. Die so genannte Armutsmigration ist also in Wirklichkeit eine Arbeitsmigration.
Es stimmt, dass 2012 mehr Menschen aus Rumänien und Bulgarien zugewandert sind, als noch im Vorjahr. Dabei handelt es sich aber nicht um oft zitierte „Armutswanderung“. Es kommen vorrangig Saisonarbeiter und Fachkräfte, die von der Bundesregierung gezielt angeworben werden, um den demographischen Wandel abzuschwächen und neues Personal für die Pflegeberufe zu gewinnen. Von allen 2012 in Deutschland gemeldeten Bulgaren und Rumänen bezogen lediglich 9,3% Hartz-IV Leistungen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 9,6% und damit deutlich unter dem Durchschnitt anderer ausländischer Bevölkerungsgruppen. Auch die Annahme, dass Familien aus Rumänien und Bulgarien in großem Umfang Kindergeld bezögen, lässt sich statistisch nicht belegen. In der Gesamtbevölkerung sind 11% Kindergeldbezugsberechtigte. Unter den MigrantInnen aus Rumänien und Bulgarien sind es mit 8% deutlich weniger. Insgesamt zahlen Zuwanderer seit Jahren mehr in die Sozialkassen ein, als sie an Unterstützung beziehen. Der deutsche Staat profitiert also von der Zuwanderung. Das gilt auch für die aus Rumänien und Bulgarien. In Anbetracht dieser Tatsachen, wirkt die Rhetorik der vergangenen Monate absurd.
Mit dem neuen Innenminister Thomas de Maiziere wird der Ton hoffentlich sanfter. Die Probleme löst der Ton alleine aber nicht. Sie liegen nicht, wie so oft behauptet, in den ökonomischen Folgen der Migration. Die Koalition wird sich überlegen müssen, wie es gelingen kann, MigrantInnen stärker in das gesellschaftlichen und politischen Leben in Deutschland einzubinden. Dabei geht es nicht nur um das Bereitstellen von Wohnungen oder die Organisation von Sprachkursen, sondern um wirkliche Teilhabe; integrativ und kooperativ. Aus dem ‚reden über‘ muss ein ‚reden mit‘ werden. Dazu ist es wichtig, dass wir Stereotype in der deutschen Mehrheitsgesellschaft hinterfragen und gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus kämpfen. Darauf sollten wir uns konzentrieren, nicht auf Polemik.