April 2008
Die Kreistagsfraktion der Grünen ist gegen den von CDU, FWG und FDP favorisierten Umzug der Kreisverwaltung in die „Rivers Barracks“. „Zwar wäre es schön, die Kreisverwaltung endlich auf einem Fleck zu haben und die neuen Büros mit Besprechungsräumen und Teeküchen sind sicher viel attraktiver als viele der alten Büroräume in der Ostanlage, aber darauf kommt es erst einmal nicht an. Wichtiger sind die finanziellen Umstände“, so die Fraktionsvorsitzende Dr. Christiane Schmahl. Und hier spricht alles gegen den Umzug:
Schon in den eigenen Berechnungen der Regierungskoalition stellt sich die Renovierung in der Ostanlage günstiger dar als der Umzug in die „Rivers“, 1Million Euro ist die Differenz in den Barwertberechnungen. Außerdem werden bei dieser Berechnung Äpfel mit Birnen verglichen. Während die reinen Renovierungskosten in der Ostanlage bei ca. 4,88 Millionen Euro liegen (incl. eines neuen Sitzungsraumes), betragen die Mietkosten in den „Rivers“ in den kommenden 20 Jahren 17,25 Millionen Euro. Natürlich kämen noch Kosten für Dienstreisen und –gespräche zwischen den Standorten hinzu, wenn die Ostanlage beibehalten würde, ebenso Instandhaltungskosten. Trotzdem sind die Kosten bei einer Anmietung der Rivers wesentlich höher, als die Renovierungskosten. Wie kommt die Koalition dann aber auf einen so geringen Unterschied (1 Million Euro)? Ganz einfach: Die Ostanlage wird für 6 Millionen Euro verkauft und dann stimmt die Rechnung?!
Nach 20 Jahren steht der Kreis allerdings ohne eigenen Besitz da. Es kann dann nicht ein weiteres Mal Miete gegen Besitz gerechnet werden. Im Prinzip ist der Umzug in die „Rivers“ nichts anderes als „sale and lease back“, nur dass nicht dieselben Gebäude gemietet werden. Und wie wir mittlerweile von anderen Kommunen wissen, ist das ein aus der Not geborenes, aber für die Kommune fast immer teureres Modell.
Der Kreis Gießen muss sich, wie jeder Privatmann auch, folgende Fragen stellen: Was ist wünschenswert, was kann ich zahlen und was brauche ich wirklich? Die Frage, was wünschenswert ist, hat sich die Koalition schon beantwortet. Was aber kann der Kreis zahlen? Eigentlich nichts, oder sagen wir alles, aber auf Pump. Was der Kreis wirklich braucht, ist leider bis heute nicht geklärt. Die Mitglieder des Kreistages wissen bis heute nur, wie viele Angestellte und Beamte aus der Ostanlage ausgezogen sind (nämlich 130) und wie viele in die Ostanlage einziehen sollen (30 aus dem „Haus Blecher“ und der Moltkestraße, sowie ca. 30 aus dem Bachweg). Weder weiß der Kreistag, wie groß die einzelnen Flächen in den Rivers sind, wie viele Büros dort geplant sind, wie viele Besprechungsräume, wie viele Teeküchen und Kantinen usw. Für die Ostanlage gibt es eine Planung, die den Kreistagsabgeordneten aber bisher ebenfalls nicht bekannt ist.
Wie viele von den Besprechungszimmern in den Rivers brauchen wir wirklich? Wie viele Büros, Kantinen, Teeküchen? Warum sind bestimmte Varianten erst gar nicht gerechnet worden? Was z.B. würde es kosten, wenn das Haus B abgerissen würde (die Renovierung dieses Baus erfordert die höchsten Investitionen), die Moltkestraße und das Haus Blecher abgemietet würden und die dort sitzenden Beamten in die Häuser C und G einziehen würden? Die Abfallabteilung und die anderen Dienststellen blieben im Bachweg. Diese Variante wäre mit Sicherheit wesentlich billiger. „Leider gibt es bisher keine Antworten auf diese Fragen“, stellt das grüne Fraktionsmitglied Ewa Wenig fest.
Bei jeder Schule, für die ein Neubau oder eine Renovierung geplant werden, erhält der Schulausschuss genaue Listen, wie viele Räume die Schule hat (bis zum letzten Tonbrennraum) und wie viele geplant sind, wie die Schülerentwicklung und damit die Klassenzahlen aussehen und wie die einzelnen Räume gestaltet werden.
Bei der Kreisverwaltung hat die Koalition das nicht nötig. Es zählt allein der Glaube an das Wünschenswerte. In die Planung ist sowohl für die Variante „Rivers“ als auch für die Renovierung Ostanlage ein Sitzungssaal mit einbezogen. Der Kreistag braucht ihn aber gar nicht. Das hat er in den letzten Jahrzehnten eindrucksvoll bewiesen. Kommt noch hinzu, dass der Stadtplanungsdezernent Rausch dem Ältestenrat des Kreistags gerade das Angebot unterbreitet hat, den Sitzungssaal der Stadt Gießen im neuen Rathaus mitzunutzen und zwar umsonst.
Aus den oben angeführten Gründen fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag den Landrat Marx auf, falls der Kreistag mit seiner Koalitionsmehrheit den Beschluss fasst, in die „Rivers“ umzuziehen, diesem Beschluss zu widersprechen, um finanziellen Schaden vom Landkreis fernzuhalten.
„Dann wäre die Kreisverwaltung weiter in den alten verwinkelten Gemäuern, die halt lang nicht so repräsentativ aussehen, wie die Prachtbauten anderer Landkreise. Und die keine unnahbare Regierungsmacht darstellen wie die „Rivers“, aber die typisch Giessener Durchschnittlichkeit und damit Bürgernähe im Zentrum der Stadt gut repräsentieren“, so Dr. Schmahl abschließend.