„Auswirkungen von WKA auf Brut- und Zugvögel“ Info-Abend in Biebertal
Veröffentlichung vom 22.Juni 2015, in der Gießener Allgemeine
Matthias Knoche, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die GRÜNEN im Kreistag kritisiert die Aussagen der Referenten Martin Kraft und Anna Schmidt, die weder dem Klimaschutz noch der Energiewende dienten.
Herr Kraft stellt dort die Behauptung auf, dass sich die „hohen Verluste von Vögeln und Fledermäusen“ bei noch mehr Windrädern vervielfachen würden“. Schon bei anderen mittelhessischen Standorten hat sich Herr Kraft in die Debatte geworfen. Seine Behauptungen basieren auf seinen eigenen Beobachtungen. So habe Kraft bei einer Windkraft-Versammlung nahe Marburg behauptet, er habe innerhalb von 50 Stunden 2.500 tote Vögel im Umkreis von Windkraftanlagen im Vogelsberg gefunden.
Knoche kritisiert, dass Herr Kraft diese Beobachtungen trotz Aufforderung bisher nicht dokumentiert habe. Das ist „weder ein sauberes wissenschaftliches Verfahren noch seriös“.
Keiner der großen Umweltverbände folgt der Meinung von Herrn Kraft.
Knoche unterstrich, dass man sich bei der staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg (www.lugv.brandenburg.de) über sämtliche Totfunde von Vögeln und Fledermäusen in Deutschland und Europa informieren könne. Dort wird die Zentralkartei seit 2002 geführt.
Seit 2002 (Stand: 1. Juni 2015) wurden in dieser zentralen Fundkartei 2.585 Vögel und 2.487 Fledermäuse verzeichnet, also in 12 Jahren in ganz Deutschland etwa so viele Totfunde wie Herr Kraft innerhalb weniger Stunden im Vogelsberg gezählt haben will. Für Hessen sind verzeichnet 1 Schwarzstorch, 25 Rotmilane, 10 Mäusebussarde, Turmfalke, 2 Kraniche, 2 Ringeltauben, 1 Aaskrähe, 1 Star und 3 Wachholderdrosseln, also insgesamt 47 Vögel, sowie 3 Fledermäuse. Herrn Krafts Beobachtungen sind hier nicht dokumentiert, auch weil die Vogelschutzwarte deren Veröffentlichung aus wissenschaftlichen Gründen abgelehnt hat.
Die Totfunde in Zusammenhang mit Windkraftanlage stehen auch in keinem Verhältnis zu den jährlich zwischen 100 Millionen und 1 Milliarde Kollisionen mit Glas (Fensterfronten, Gewächshäuser). Durch Straßenverkehr sterben pro Jahr um die 5 Millionen Tiere (Quelle: NABU Deutschland).
Es gibt Windkraftstandorte, an denen täglich kontrolliert wird und nicht ein einziges totes Tier gefunden wurde. Moderne Windräder verfügen über eine spezielle Steuerung, durch die die Abschaltung der Anlagen zu bestimmten Uhr- oder Tageszeiten möglich sind.
Auch die anderen Behauptungen von Herrn Kraft und der weiteren Referentin Frau Schmidt zum drohenden Artensterben durch Windkraft kontert Knoche: Die artenschutzrechtliche Prüfung ist der aufwendigste Teil des Genehmigungsverfahrens. Ein Jahr lang muss untersucht werden, ob und in welcher Weise Vögel und Fledermäuse die Umgebung der geplanten Windenergieanlagen nutzen. Wenn unklar ist, ob der Artenschutz durch entsprechende Maßnahmen naturschutzrechtskonform gewährleistet werden kann, wird eine solche Windenergieanlage im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nicht genehmigt. Bei zeitweisen Gefährdungen sind Auflagen wie die Abschaltung der Anlage vorgesehen, wenn z.B. die Vogelschutzwarte Brandenburg massenhaften Kranichzug und gleichzeitig schlechtes Wetter meldet.“ „Herr Kraft hat ja behauptet, an diese Auflage halten sich Windkraftbetreiber nicht. Dann steht er in der Pflicht, die Betreiber anzuzeigen.“so Knoche weiter.
Das 2% der Landesfäche Hessens von Windkraft zerstört würden, ist ebenfalls eine Irreführung der Bürgerinnen und Bürger. Es handelt sich um Vorranggebiete, in denen nach umfangreichen Einzelprüfungen Windräder errichtet werden können. Gerodet wird nur die Fläche, die zum Bau der Anlagen nötig ist, d.h. für den Bereich der Fundamente und der Kranstellfläche (für etwaige Wartungsarbeiten). Die nur baubedingte Rodung ist temporär und wird anschließend wieder aufgeforstet. Für zwei Anlagen wäre eine dauerhafte Rodung von 0,78 ha notwendig, für die an anderer Stelle eine Ersatzaufforstung angelegt werden müssen.
Auf Widerspruch stößt bei Matthias Knoche auch die Behauptungen zu gesundheitlichen Gefährdung durch Infraschall und Schattenwurf von WKAs.
Infraschall wird ein Bereich des Schallspektrums genannt, der tiefer ist als die tiefsten Basstöne, die ein Mensch hören kann. Obwohl also nicht hörbar, können die Schallwellen bei sehr hohen Schallpegeln gespürt werden. Nach Auswertung zahlreicher wissenschaftlicher Studien sieht das Baden-Württembergische Landesamt für Umwelt keine schädlichen Wirkungen durch Infraschall von Windenergieanlagen, da die Schallpegel viel zu niedrig sind. Sie sind beispielsweise deutlich geringer als die von Verkehrsmitteln wie Autos oder Flugzeugen erzeugten Infraschallpegel.
Mit der Genehmigung der Windkraftanlage ist die Auflage verbunden, dass sie abgeschaltet werden muss, wenn Anwohner einer Schattenwurfdauer von mehr als 30 Minuten pro Tag oder mehr als 8 Stunden pro Jahr ausgesetzt sind.
Der Fraktionsvorsitzende machte deutlich, dass die Windkraft eine entscheidende Komponente der Energiewende und im Klimaschutz sei. Ohne Windkraft ist der Ausstieg aus der Kohle, deren Abbau ganze Landstriche zerstört habe, nicht möglich. Dass die Windkraft ein gutes Geschäft sei, wiederspricht Knoche ausdrücklich nicht. „Mit dem Klimaschutz Geld zu verdienen ist ehrenwert!“ Wichtig sei, dass die Bürgerinnen und Bürger seriös informiert würden.