29. Februar 2020 Alter Bahnhof Trais-Horloff, Hungen Tagesseminar
Klimaanpassung für die mittelhessische Wasserwirtschaft
Zusammenfassung der Inhalte
Die Rahmenbedingungen für die Wasserwirtschaft im Klimawandel
Änderungen im Wasserkreislauf
Der regionalen Wasserhaushalt unterliegt klimabedingten Änderungen. Diese lassen sich selbst bei einem wünschenswerten Begrenzen der durchschnittlichen Erderwärmung weder verhindern noch in Umfang, Auftreten und Intensität verlässlich voraussagen. Verursacher sind nur schlecht kalkulierbare Entwicklungen wie verstärktes Verdunsten über Land und Meer, Ansteigen der Luftfeuchte auch in größeren Höhen, Verlagern und Abschwächen der großen Meeresströmungen u.a.m. Daraus ergibt sich das gehäufte Auftreten von Wetterextremen, deren zunehmende Stärke, gemessen z.B. in mm Niederschlag pro m² in 30 Minuten, ebenfalls kaum voraussehbar ist.
Folgen von mehr Starkregen
Zu den Folgen zählen immer mehr Starkregen, die z.T. lokal eng begrenzt und sehr intensiv fallen. Sie verursachen entsprechendes Hochwasser, aber in Mittelgebirgs- und Hügellandschaften auch heftigen, kurzzeitigen Oberflächenabfluss mit starker Bodenerosion. Sowohl das schnelle Abfließen als auch der Verlust an wasserbindendem Boden verschlechtern die Grundwasserneubildung. Zudem wird durch warme Winter künftig die Schneeschmelze weitgehend entfallen. In der Zusammenschau mit der Zunahme von regenarmen Sommer- und Herbstperioden ist deshalb festzustellen, dass die Grundwasserneubildung zumindest in weiten Teilen Mittelhessens signifikant schlechter werden wird. Sie wird auch in Relation zu den Jahresniederschlägen abnehmen, d.h. dass diese kaum noch ein verlässliches Maß für die Grundwasserneubildung sein werden. Dies ist ebenfalls ausgetrockneten Böden am Ende des Sommerhalbjahres geschuldet, von denen die ersten Herbstregen fast vollständig abfließen.
Folgen langer Hitzeperioden
Ebenfalls zu den Folgen des Klimawandels zählen lange sommerliche Trockenperioden mit sehr hohen Temperaturen, hoher Evaporation und verlängerten Vegetationsperioden,die die winterlichen Zeiten von Grundwasserneubildung erheblich verkürzen. Zusammen mit den häufiger und stärker auftretenden, sommerlichen Luftströmungen verstärkt dies im Sommerhalbjahr den Verlust an pflanzenverfügbarem Bodenwasser. Böden können in der Folge bis in größere Tiefen austrocknen. Damit nimmt die Bedeutung von Feuchtgebieten mit Grundwasseranschluss immer stärker zu. Das Grundwasser, das sich im verkürzten Winterhalbjahr noch neu bilden kann, dürfte in Zukunft für Biotope sowie für die Land- und Forstwirtschaft immer wichtiger werden.
Mittelhessische Wasserversorgung im Klimawandel
Grundwassergewinnung und Versorgung in Mittelhessen
Die Wasserversorgung der Bevölkerung obliegt den Kommunen und erfolgt fast ausschließlich aus Grundwasser. Durch die schlechtere Grundwasserneubildung und den steigenden Grundwasserbedarf von Natur, Landwirtschaft und Forst wird für die Versorgung somit weniger Wasser zur Verfügung stehen. Gemindert wird die Verfügbarkeit für Trinkwasser zudem in Fällen von starken qualitativen Grundwasserbelastungen, z.B. durch Nitrat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Wasserverbrauch gerade in langen, heißen Trockenperioden besonders in dichter besiedelten Gegenden Mittelhessens erheblich steigen kann, und dass austrocknende Böden vermehrt Leitungsverluste durch Spannungsbrüche verursachen können. Die letzten Trockenjahre haben gezeigt, dass die ersten Kommunen bereits in ernsthafte Versorgungsschwierigkeiten gekommen sind. Ein Stresstest ihrer Wasserversorgung unter Worst-Case-Bedingungen ist daher allen Kommunen anzuraten.
Grundwasserexport in den Ballungsraum
Während die Grundwasserentnahmen der mittelhessischen Kommunen geografisch weit verteilt erfolgen, konzentriert sich die Gewinnung der ungleich größeren Grundwassermengen für das Rhein-Main-Gebiet auf wenige Großwasserwerke. Diese befinden sich in Talauen, in denen sie mit dem Naturraum, der Landwirtschaft und dem Forst in direkte Konkurrenz ums Wasser treten. Sie haben deshalb dort seit den 60er Jahren enorme Schäden im Naturraum und benachbarten Kommen angerichtet. Durch den Klimawandel wird hier, trotz der zwischenzeitlichen Erfolge der Umweltschonenden Grundwassergewinnung (s.u.), die Auseinandersetzung ums Grundwasser weiter erheblich zunehmen. Betroffen sind vor allem der Vogelsberg mit seinen Randgebieten sowie die Burgwaldregion, die ca. 1/3 des im Ballungsraum verbrauchten Wasser liefern.
Noch wesentlich extremer als in Mittelhessen steigt der Wasserverbrauch in Hitzeperioden in Rhein-Main, wo er sich 2018 gemessen in Liter pro Kopf und Tag gegenüber dem Durchschnittsverbrauch verdoppelt hatte. Dies liegt auch an dem unsinnigen Bewässern von Stadtgrün mit Trinkwasser, das künftig enorm zunehmen soll. So hat Frankfurt zum Bekämpfen der hohen sommerlich Temperaturen ein großes Förderprogramm für Hof- und Fassadenbegrünung aufgelegt, ohne ein Betriebswasserkonzept auf dem Weg zu bringen. Zudem ist der von der Stadt stark begünstigte Bauboom weiter ungebrochen – zusammen mit dem geplanten neuen Stadtteil im Nordwesten wird er den Wasserverbrauch weiter nach oben treiben.
In der Folge ist das Rhein-Main-Gebiet nicht bereit, auf Grundwasser aus Mittelhessen zugunsten der hiesigen Bedarfe zu verzichten, sondern fordert im Gegenteil zusätzliche Lieferungen besonders in Trockenperioden, wenn das Grundwasser auch hier knapp wird. So liefert der ZMW seit 2017 Grundwasser aus dem Wohratal und aus Stadtallendorf via OVAG an die Hessenwasser GmbH & Co KG, um seine finanzielle Bilanz aufzubessern. Diese Lieferungen sind weder nötig noch entsprechen sie, trotz der Genehmigungen durch den RP Gießen, den gesetzlichen Bestimmungen oder den hessischen Vorgaben für ein zukunftsfähiges Ressourcenmanagement.
Umweltschonende Grundwassergewinnung und Integriertes Ressourcenmanagement
In langen und zähen Auseinandersetzungen haben Umweltverbände der Region, vorneweg die Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. (SGV), in den 90ern für den Vogelsberg die umweltschonende Grundwassergewinnung durchgesetzt. Durch das Einhalten von Mindestgrundwasserständen durch die Wasserwerke soll den Biotopen, denen früher durch Grundwasserraubbau die Lebensgrundlage entzogen wurde, auch in Trockenperioden genügend Wasser verfügbar bleiben. Dies hat in manchen Gewinnungsgebiete wie z.B. in Inheiden gut funktioniert. Da sich aber die Rahmenbedingungen ändern, wird künftig ein echter Schutz der Feucht- und Nassbiotope mit einem Reduzieren der Entnahmemengen für den Grundwasserexport einhergehen müssen. Das Integrierte Ressourcen Management des HMUKLV sieht dafür zwar eine Reihe von Maßnahmen vor, doch für seine Umsetzung es wird noch vieler Auseinandersetzungen bedürfen.
Anpassungsmaßnahmen für die Wasserwirtschaft
Mittelhessische Wasserversorgung im Klimawandel
Die Wasserwirtschaft kommt um adäquate Klimaanpassungsmaßnahmen nach dem Worst-Case-Prinzip nicht herum.Für die Wasserversorgung in Mittelhessen bedeutet dies, ihre Versorgungsstrukturen und ihre Wassergewinnung vorausschauend klimafest zu machen. Dazu zählen neben dem redundanten Absicherung der eigenen Wasserversorgung auch der sparsame Umgang mit Trinkwasser sowie das zusätzliche Nutzen von Nicht-Trinkwasser für geeignete Zwecke.
Durch ihre Fixierung auf die abnehmende Ressource Grundwasser müsste es im Interesse der Wasserversorgung mittelhessischer Kommunen sein, den Fernwasserexport zu reduzieren. Auch da der Naturraum sowie die Land- und Forstwirtschaft für diese Region einen existentiellen Faktor darstellen , für den es die Grundwasservorkommen zu bewahren gilt. Ein Grundwasserexport über das unbedingt notwendige Maß hinaus sollte unterbleiben.
Wasserversorgung Rhein-Main im Klimawandel
Verursacher für die seit 150 Jahren betriebene Fernwasserversorgung des Rhein-Main-Gebietes ist der dortige Verbrauch. Dem Verursacherprinzip folgend ist es somit zwingend erforderlich, zur bestehenden mittelhessischen Wasserexport eine Alternativenprüfung für Rhein-Main durchzuführen. Eine solche ist bisher nur von der SGV, nicht aber von den zuständigen Behörden, durchgeführt worden. Sie zeigt, dass sich das wasserreiche Rhein-Main-Gebiet sehr viel stärker aus eigenen Ressourcen versorgen könnte, und dass damit sehr viel mehr Grundwasser in Mittelhessen verbleiben könnte. Wichtiger Bestandteil der künftigen Eigenversorgung ist das Nutzen von Nicht-Trinkwasser = Betriebswasser z.B. für WC und Bewässerung, da Rhein-Main über ein großes Dargebot und über einen entsprechend hohen Bedarf verfügt.
Nachhaltiges Regenwassermanagement in Mittelhessen
Dem Vermeiden von hohen und schadensträchtigen Oberflächenabflüssen nach Starkregen wird immer noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl es hierfür bewährte und effektive Maßnahmen gibt. So kann im bebauten Raum mittels Zisternen und anderen Rückhaltemaßnahmen erheblicher Abfluss vermieden werden, sofern die Rückhalteeinrichtungen nach Regenfällen wieder entleert werden – durch das Nutzen des aufgefangenen Wassers. Ebenfalls noch zu wenig wird auf Maßnahmen für das schadlose Ableiten von Hochwasser im kommunalen Raum über geeignete Oberflächen geachtet.
Im Naturraum lassen sich die starken Oberflächenabflüsse ebenfalls mit geeigneten Maßnahmen erheblich einschränken. So tragen seit vielen Jahren dezentrale Rückhaltemaßnahmen nicht nur zum Hochwasserschutz bei, sondern dienen auch der Grundwasseranreicherung und einem verbesserten Mikroklima in Heißphasen und beherbergen im Laufe der Zeit immer mehr wasserabhängige Pflanzen und Tiere im Sinne des Artenschutzes. Zudem macht das Anlegen von Retentionsbecken auch als Reserve für Bewässerungsmaßnahmen sowie ggf. für das Bekämpfen von Waldbränden Sinn.
Politische und administrative Vorgaben als Grundlagen der Anpassung
Ein ‚Weiter-so-wie-bisher‘ stößt in der Wasserwirtschaft bereits heute aufgrund des Klimawandels an die Grenzen der Machbarkeit. Doch neue Konzepte erfordern auf allen Ebenen mutige und kenntnisreiche politische Entscheidungen, die den Aufwand für Anpassungsmaßnahmen nicht scheuen und ihn auch nicht an die nächsten Generationen weiterreichen. Denn schließlich sind für eine zukunftsfähige Wasserwirtschaft das Land Hessen, die Landkreise und die Kommunen als gesetzliche Träger der Wasserversorgung und der Gewässerbewirtschaftung zuständig. Die hier getroffenen politischen Entscheidungen sind letztendlich maßgeblich für das Einleiten und den Erfolg von entsprechenden Maßnahmen.
In den letzten Jahrzehnten ist hier weit weniger passiert als notwendig, da das Erstellen von Konzepten und Planungen weitgehend an betriebswirtschaftlichen Parametern orientiert wurde. Zu oft standen dabei das Minimieren von Kosten bei Investitionen oder das Verbessern von Einnahmen aus dem Wasserverkauf im Vordergrund. Eine zukunftsfähige Wasserwirtschaft muss sich dagegen fachlich fundiert am Gemeinwohl und an der langfristigen Daseinsvorsorge orientieren. Dabei kommt der kommunalen Ebene eine besondere Bedeutung zu. Hier wird über Trinkwassersparmaßnahmen oder Zisternensatzungen bzw. ein Betriebswassersystem in Baugebieten genauso entschieden wie über das Anlegen von Rückhalteeinrichtungen oder über Kooperationen zur Absicherung der Wasserversorgung. Für Kommunen besteht ein erheblicher Ermessensspielraum.
Der rechtliche Rahmen dafür ist in Hessen positiv zu bewerten. Wie in anderen Bundesländern auch gilt das Wasserhaushaltsgesetz, das eine ortsnahe Versorgung, d.h. eine Fernwasserversorgung nur im Ausnahmefall, und einen sparsamen Wasserverbrauch fordert. Auch die Ausführungen im hessischen Wassergesetz unterstützen die Maßnahmen zur Entlastung der Grundwasservorkommen. Hessen-spezifisch sind auch der Erlass zur Umweltschonenden Grundwassergewinnung sowie das neue hessische Leitbildes für ein Integriertes Wasserressourcenmanagement darauf ausgerichtet, die ökologisch orientierte Grundwasserbewirtschaftung mit der Wasserversorgung zu vereinbaren.
a) Dr. Anne ARCHINAL, Vorsitzende der „Aktionsgemeinschaft Burgwald“ und Dr. Hans-Otto WACK vom „Umwelt-Büro Schotten“ präsentieren den Workshop-Teilnehmer*innen die neue Studie zur Zukunft des (Trink-)Wassers in Mittelhessen (Broschüren-Bezug über Dr. Wack (ubs@ubs-web.de) möglich: Druckversion: 14 Euro; PDF-Digital-Version: 8 Euro)
b) Der größte Teil der Teilnehmer*innen des Workshops „Klimaanpassung der mittelhessischen Wasserwirtschaft“ der „GRÜNEN Zukunftswerkstatt Mittelhessen“ im Seminarraum des „Naturschutzzentrums Alter Bahnhof Trais Horloff“ vom NABU Horlofftal.
Workshopleiter & Verfasser:
Umwelt-Büro Schotten (UBS)
Dr. Hans-Otto Wack
Goethestraße 4,
63679 Schotten
Telefon: 06044/964941
Mobil: 0170/2037091
E-Mail: ubs@ubs-web.de