09. Dezember 2009
Unter dieser Fragestellung fand ein Vortrag von Dr. Thormann, erstem Beigeordneten der Stadt Warendorf auf Einladung der Gießener grünen Stadt- und Kreistagsfraktion statt.
Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich begrüßte den Referenten und die Zuhörer und äußerte ihre Hoffnung auf eine rege Diskussion im Anschluss an den Vortrag. Dr Thormann ist promovierter Jurist, erster Beigeordneter der Stadt Warendorf (NRW) und allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters. Zuvor war er stellvertretender Leiter der Rechnungsprüfungsämter Chemnitz und Stuttgart.
Ausgangspunkt der Betrachtungen waren die Kommunalfinanzen vor der Wirtschaftskrise. Von 2005 an ist die Verschuldung der Kommunen stetig gesunken. Gleichzeitig stieg die Schuldenlast des Bundes von 2006 bis 2008 um rund 66 Mrd Euro und die der Länder um rund 13 Mrd Euro. Dr. Thormann betrachtete die Schulden im Verhältnis zu den Einnahmen und fragte danach, wie lange es dauern würde, wenn die Einnahmen nur zur Tilgung verwendet würden. Der Bund bräuchte demnach 3,3 Jahre, die Länder 1,7 Jahre.
Im Vergleich dazu nimmt sich die Schuldenlast der Kommunen mit 76 Mrd Euro vergleichsweise gering aus. Dies liegt lt. Dr. Thormann daran, dass es den Kommunen schon in der Kameralistik nicht erlaubt war, Altlasten durch die Aufnahme neuer Kredite zu tilgen. Sie konnten lediglich Investitionen fremdfinanzieren.
Der Referent befasste sich nun mit der Einführung der Doppik und den Konsequenzen für die öffentlichen Haushalte. Er erklärte zunächst, dass der doppische Haushalt aus drei Elementen besteht, nämlich der Bilanz, dem Ergebnishaushalt und dem Finanzhaushalt. Wesentlich für die Kommunen ist die erstmalige Erfassung des Anlagevermögens und der daraus resultierenden Abschreibungen, sowie Erträge aus Sonderposten und Aufwendungen aus Pensionsrückstellungen. Diesen Positionen sind nicht zahlungswirksam, verändern aber das Ergebnis des Haushalts im Vergleich zur Kameralistik. Am Beispiel des Haushaltes des Landkreises Gießen für 2009 zeigte Dr. Thormann, dass die Erfassung dieser Posten aber nicht zu einer Verschlechterung führen muss, sondern im Saldo sogar eine Verbesserung des Haushaltsausgleichs um ca. 9,4 Mio € bringt.. Gleichwohl sind aber die Kassenkredite der Stadt und des Kreises seit 2000 erhöht worden und führen zu einer steigenden Zinsbelastung.
Zusammenfassend sieht Dr. Thormann die Vorteile der Doppik darin, dass auf der einen Seite das Vermögen der Kommunen erfasst und dargestellt wird, auf der anderen Seite die Verbindlichkeiten aus Pensionszahlungen. Dies führt zu mehr intergenerativer Gerechtigkeit. Die Nachteile liegen darin, dass die Bilanzen der öffentlichen Haushalte keine Unternehmensbilanzen sind. Das ausgewiesene Vermögen ist unter Veräußerungsgesichtspunkten weniger wert als bilanziert, denn „Wer will schon einen Kanal kaufen?“. Im Gegensatz zu einem Unternehmen dient das Anlagevermögen nicht dazu, Erträge zu erwirtschaften, sondern verursacht weitere Kosten durch die laufende Unterhaltung. Die „wahren“ Erträge einer Kommune wie Bildung, Sicherheit oder Klimaschutz sind nicht monetär und somit auch nicht bilanzierbar.
In der anschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer, vornehmlich Vertreter der Grünen Fraktionen, darin einig, dass Sparmaßnahmen in den Kommunen unerlässlich sind. Deshalb müsse eine ständige Überprüfung der Standards stattfinden, die die Kommunen noch leisten können.