01. Dezember 2009
Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen des Kreistages Gießen traf sich am vergangenen Wochenende in Schotten zur Beratung wichtiger kommunaler Themen. Der Grüne Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs nahm am Samstag an der Veranstaltung teil und berichtete aus Berlin.
Zum Auftakt der Klausurtagung fand eine intensive Auseinandersetzung mit dem Haushalts-sanierungskonzept des Landkreises Gießen für 2010 statt. Die Fraktionsvorsitzende Dr. Christiane Schmahl erklärte, dass von einer wirklichen Konsolidierung des Haushalts bei der derzeitigen Finanz-lage keine Rede sein könne. Trotzdem müsse es aber Bemühungen geben, das Defizit soweit wie möglich zu verringern. Die Grüne Fraktion setze dabei auf eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit, insbesondere mit der Stadt Gießen. Sowohl bei den Volkshochschulen, als auch beim öffentlichen Personennahverkehr könne man durch abgestimmte Konzepte Einspareffekte erzielen, ohne die Leitungsangebote für die Bürger zu beschneiden. Auch die Jugendämter könnten von einer verstärkten Zusammenarbeit profitieren. Das Abfallentsorgungskonzept der Stadt Gießen solle noch besser mit dem des Kreises abgestimmt werden.
Die im HHSK an vielen „Produkten“ vorgenommene pauschale Kürzung von 10% der Ausgaben lehnen die Grünen ab. Sie fordern stattdessen eine differenzierte Analyse der Leistungen des Kreises, in der nach der Wirksamkeit der Maßnahmen gefragt wird.
Konkret sind die Grünen mit den Privatisierungen der Reinigungs- und Hausmeisterdienste nicht einverstanden. Hier handele es sich um eine Verlagerung der Leistungen in den Niedriglohnbereich zu Lasten der Beschäftigten. Kritisch gesehen werde auch der Ansatz von Ausgaben i.H.v. 380.000 € für EDV an Schulen. Er basiere auf der Annahme, dass sämtliche Geräte nach 5 Jahren auszutauschen seien. Hier fordern die Grünen, zuerst das im Haushaltsplan angekündigte, aber noch nicht erstellte Konzept des entsprechenden Fachausschusse vorzulegen, erst dann könne ein vernünftig kalkulierter Kostenansatz im Haushalt erfolgen. Weiterhin solle keinesfalls die parlamentarische Arbeit im Kreis durch Streichung einer Kreistagssitzung beschnitten werden. Eine solche Kürzung sei kontra-produktiv.
Zur zukünftigen Betreuung von Langzeitarbeitslosen sprach sich die Fraktion zur Beibehaltung der Betreuung durch den Jobcenter im Landkreis Gießen, die GIAG, aus. Sie stelle qualitativ hochwertige arbeitsmarktpolitische Dienstleistungen zur Verfügung. Die Fraktionsvorsitzende erinnerte daran, dass es in der Sitzung des Kreistages am 28.04.2009 bereits ein einstimmiges Votum für eine kommunale Trägerschaft gegeben habe. Derzeit gäbe es aber eine große Planungsunsicherheit, da es im Koalitionsvertrag der Regierenden Koalition in Berlin nicht zu einer Ausweitung oder Fortführung des Optionsmodells gekommen sei.
Bei den Kosten der Verwaltung des Kreises fordert die Fraktion der Grünen eine Optimierung der Verwaltungstätigkeit. Es mangele nicht an teuer eingekauften Konzepten, wohl aber an deren Umsetzung. Bis jetzt seien die Ämter nicht über das Planungsstadium hinausgekommen.
Zusammenfassend erklärte die Fraktionsvorsitzende, dass der vorliegende Haushaltsentwurf und das Haushaltssanierungskonzept für 2010 in keiner Weise den aktuellen Herausforderungen, nämlich der Sicherung notwendiger Leistungen einerseits und der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung andererseits, gerecht würden.
Nach den Beratungen über die kommunale Politik gab Tom Königs einen Überblick über die Organisation der Grünen Fraktion im Bundestag. Die Fraktion habe in großem Einvernehmen ihre Vorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin gewählt. Die Besetzung der Fachausschüsse sei nach intensiven Beratungen durchgehend mit hochqualifizierten Fachleuten erfolgt. Er selbst freue sich über seine Benennung als Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses. Seine erste Reise in dieser Funktion werde ihn auf die griechische Insel Lesbos führen. Dort lebten Migranten in einem Lager unter absolut inakzeptablen Bedingungen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen betreue dort seit Juni 2008 ein Projekt, erhalte oft aber keinen Zugang zu den Patienten. Das Lager, das offiziellen Angaben zufolge für rund 400 Personen angelegt sei, beherberge zur Zeit etwa 800 Menschen.
Daneben sei er Mitglied im Verteidigungsausschuss, dem die „Affaire Jung“ aktuell einige Aufmerk-samkeit beschert habe.
Die Grundsätze seines Arbeitsprogramms im Menschenrechtsausschuss erläuterte Tom Koenigs sehr engagiert und detailliert. Er habe 5 Themen formuliert, die bearbeitet werden sollten. Dies sei zum ersten die universelle Geltung der Menschenrechte versus die Werte der „westlichen“ Welt. Es sei zu fragen, ob deren im Wesentlichen wirtschaftliche Interessen einen universellen Wertekanon behinder-ten. Man müsse sich in diesem Zusammenhang auch mit der Religionsfreiheit befassen. „Können Sharia-Law und Common-Law koexistieren? Wie weit sollte der Einfluss der Religion auf den Staat reichen?“ Schließlich solle nicht nur für die Formulierung, sondern auch für die Durchsetzung der Menschenrechte gesorgt und die Verantwortung der Staaten und Staatengemeinschaften neu überdacht werden.
Zweites Thema sei „Responsibility to Protect“ (R2P). Dieses Konzept sei in der VN-Generalver-sammlung 2005 beschlossen worden. Es stelle die Verantwortung der Staaten und Staatenge-meinschaften, Menschen vor Verbrechen zu schützen, über das Souveränitätsrecht einzelner Staaten. Damit sollten Völkermorde, Kriegsverbrechen und „ethnische Säuberungen“ verhindert werden.
Das dritte Thema befasse sich mit dem Zusammenhang von Klimapolitik und Menschenrechten. Hier sei zu untersuchen, wie die Rechte des einzelnen Menschen auf Leben, Gesundheit und Entwicklung zu den Rechten der Völker auf Schutz vor Klimakatastrophen stünden.
Weiterer Kernpunkt sei die Diskriminierung von Menschen. Sie wandele sich ständig und träfe immer neue soziale Schichten. So gäbe es heute eine Diskriminierung von Kindern durch eine frühe Selek-tion in der Schule. Die reine Förderung der Eliten benachteilige die Zurückgebliebenen, wenn für diese nicht auch Angebote zur Verfügung stünden. Auch die alten Diskriminierungsmuster wegen des Geschlechts oder der Rasse existierten immer noch und müssten weiter bekämpft werden.
Als fünftes Thema sieht der Bundestagsabgeordnete die Gefahr, dass Maßnahmen zur Terroris-musbekämpfung die Menschenrechte aushöhlten. Insbesondere dürfe es im Namen der Sicherheit keine Einschränkungen des Folterverbots, des Schutzes der Privatsphäre oder rechtsstaatlicher Standards geben.
Nach diesem interessanten Einblick in seine Tätigkeit als Abgeordneter betonte Tom Koenigs, dass er sich eine enge Zusammenarbeit mit den Grünen in seinem Wahlkreis wünsche. Er sei deshalb von Frankfurt in den Kreisverband Gießen gewechselt. Der Kreisverband Gießen könne auch zukünftig mit seiner tatkräftigen Unterstützung rechnen. In seinem Wahlkreisbüro würden zukünftig zwei Angestellte für einen intensiven Kontakt und Informationsaustausch zwischen Gießen und Berlin sorgen. Die Fraktion und der Vorstand der Grünen äußerten ihre Freude über einen so erfahrenen und engagierten Vertreter des Wahlkreises in Berlin und dankten Tom Koenigs für sein Kommen.