14. Juli 2021

Rede zum Nachtragshaushalt 2021 zur Schaffung eines 3. hauptamtlichen Beigeordneten von Matthias Knoche

Die neue Kreiskoalition aus CDU, GRÜNEN und Freien Wählern FW hat vereinbart, die Stelle eines 3. hauptamtlichen Beigeordneten zu schaffen. Bisher gibt es neben der Landrätin lediglich 2 Beigeordnete. Die neue Position soll Christian Zuckermann besetzen. Der Wahlvorbereitungsausschuss hat ihn bereits vorgeschlagen. Damit dies möglich wird, muss ein Nachtragshaushalt verabschiedet werden. Die SPD hat im Vorfeld berechnen lassen. Dass die neue Stelle einschließlich der „Infrastruktur“ etwa 2,57 Mio. Euro in den kommenden 6 Jahren kosten wird. Die Koalition hat eine – bisher noch unvollständige – Liste der unbesetzten Stellen erhalten. Hier ist die Rede von Matthias Knoche zum Nachtragshaushalt:

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrter Herr Vorsteher,

die Zeiten haben sich geändert. In Deutschland lebt kein Volk, sondern hier leben Völkchen. Jedes mit eigenen Ansichten, Lebensstilen und Kulturen, mit sehr individuellen Wertvorstellungen.

Weil es Aufgabe der Parteien und Wählervereinigungen ist, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, müssen wir diese Völkchen zusammenzubringen. Und weil es nicht mehr nur noch 2 große Parteien gibt, sondern viele kleine und mittelgroße Parteien, werden wir uns alle daran gewöhnen müssen, dass wir mehr Hauptamtliche bekommen. Das ist der Wähler:innenwille.

Nun geht die Befürchtung um, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet ist, wenn es keine großen Volksparteien mehr gibt.

Dagegen gibt es aber ein sehr einfaches Mittel, nämlich die Übertragung von politischer Verantwortung.

Die Forderung nach einem zusätzlichen hauptamtlichen Beigeordneten stellt die SPD als etwas Schlechtes dar, dabei geht es hier darum, dass man für die Politik, die man umsetzen will, persönlich Verantwortung übernimmt. Man muss persönlich für das Geradestehen, was man politisch will.

Zweitens.

Wie kommt man auf das schmale Brett, zu verlangen, dass die Grünen als Teil einer Koalitionsmehrheit im Kreisausschuss des Landkreises hauptamtlich nicht vertreten sein dürfen – oder wahlweise die FW.

Selbstverständlich haben sich die GRÜNEN das Recht erkämpft, mit einem hauptamtlichen Beigeordneten vertreten zu sein. Ich muss nochmal an das Wahlergebnis erinnern. Wir sind gleichauf mit der SPD, sogar einen Wimpernschlag besser. Das mag eine Momentaufnahme sein, ja, aber das Wahlergebnis liegt im Trend. Und dieses Wahlergebnis gilt für die nächsten 5 Jahre.

Drittens.

Wir bedanken uns für die Aufstellung der Kosten für eine:n 3. hauptamtliche Beigeordnete:n im Kreisausschuss. Aber eine politische Entscheidung kann man nicht allein auf Kosten herunterbrechen. Das wäre so, also würde ich die Frage stellen, ob man diesen Landkreis überhaupt braucht. Alles was wir regeln und entscheiden, könnte auch das Regierungspräsidium regeln und entscheiden – oder ein kommunaler Zweckverband. Wer braucht schon einen Aufsichtsrat aus 81 Köpfen, plus Kommissionen und Beiräte? Wir könnten die Frage stellen, was uns die Landrätin kostet, mit 2 Sekretariaten und 2 persönlichen Referenten, mit einem Netzwerk aus Stabsstellen: 10 Mio. Euro oder 15 Mio. Euro?

Meine Damen und Herren, wir reden hier von der Verwaltung öffentlicher Mittel, dem Geld von 272.000 Bürgerinnen. Es geht um Transparenz. Und dafür brauchen wir den 3. Beigeordneten.

Viertens.

Wir brauchen Transparenz, weil die HKO wie auch die HGO einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler hat, übrigens Ursache für viele unnötige Konflikte zwischen Parlamenten und Direktgewählten.

In §44 unter Aufgaben und Vertretung des Landrats heißt es:

„Der Landrat bereitet die Beschlüsse des Kreisausschusses vor und führt sie aus, soweit nicht Kreisbeigeordnete mit der Ausführung beauftragt sind. Er leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der gesamten Verwaltung und sorgt für den geregelten Ablauf der Verwaltungsgeschäfte. Er verteilt die Geschäfte unter die Mitglieder des Kreisausschusses.“

Allein das „Er“ wäre schon Grund genug, die HGO und die HKO zu ändern.

Die Direktgewählten haben eine unangemessene Machtfülle. Sie können die Ergebnisse von Parlamentswahlen mit Widersprüchen und Organisationsentscheidungen ad absurdum führen. Und wir beweisen Mut, indem wir gegen eine Direktgewählte regieren. Wir sind in den kommenden Monaten sozusagen eine regierende Opposition.

Ich erwarte natürlich, dass Christian Zuckermann die Verantwortung für den Klimaschutz erhält, aber sicher ist das nicht, weil ER die Geschäfte verteilt. Klimaschutz kann man aber nicht nebenher machen. Und das macht die Landrätin. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Wir habe unsere Klimaziele verfehlt, die wir uns vor 10 Jahren gesetzt haben. Darüber sind wir unzufrieden. Deswegen haben wir uns eine neue Koalition gewünscht. Und deswegen können wir nicht bis zur Landrät:innenwahl im September warten, oder bis zur Genehmigung des Haushalts . Die Zeit läuft uns davon. Wir brauchen hauptamtliche Verstärkung.

Wir als Koalition müssen uns gut aufstellen gegen dieses Netzwerk, wenn wir gestalten wollen, wenn wir aktive Politik machen wollen. Das hat übrigens nichts mit Frau Schneider zu tun oder der SPD. Das gilt für jede Koalition, die gegen die Partei eines:r Direktgewählten koaliert.

Fünftens

Wahlbeamte*innen haben keine normalen Jobs. Hauptamtlich*e begleiten die Politik für eine kurze Phase. Irgendwann aber kommt der Punkt – bei allen Verdiensten, die sich die Hauptamtlichen in der Regel erworben haben -, wo es einen Generationswechsel geben muss.

Nicht wenige Landräte, Oberbürgermeisterinnen, Stadträte oder Beigeordnete begleiten diese Generationswechsel mit Zorn und Widerstand, anstatt diesen Generationswechsel konstruktiv zu begleiten.

Ich habe beim letzten Mal genau beobachtet, wie die SPD versucht hat Gerda Weigel-Greilich das Wort im Mund herumzudrehen um einen Keil zwischen die Grünen zu treiben.

Und deswegen betone ich: Wir sind Stolz auf das was Christiane Schmahl erreicht hat und Stolz darauf, wie sie diesen Generationswechsel begleitet hat, nämlich politisch und konstruktiv. Das gelingt nicht vielen.

Wir haben diesen Generationswechsel, der ja nicht nur für die Partei, sondern auch für die politische Kultur von großer Bedeutung ist, eingeleitet, weil die nächste Dekade, die einen reden vom Jahrzehnt der Transformation, die anderen vom Jahrzehnt der Modernisierung, diese nächste Dekade braucht einen Schub an neuen Ideen, aber auch an neuem Personal.

Wir haben diesen Generationswechsel eingeleitet und den lassen wir uns nicht schlechtreden. Auch die CDU hat diesen Generationswechsel organisiert. Nur die SPD hat ihn verschlafen. Und das ist es, über was wir streiten sollten.